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Biber an den Aachener Bächen

Nachdem sie im 19. Jahrhundert bei uns ausgerottet worden waren, wurden zwischen 1981 bis 1989 am Wehebach in der Eifel, einem Nebengewässer der Inde, die ersten Biber wieder ausgewildert. Von dort haben sie sich zunächst in Kreis Düren und dann auch an den Gewässern der Städteregion kontinuierlich ausgebreitet. So war es nur eine Frage der Zeit, bis auch auf dem Aachener Stadtgebiet die ersten Spuren gesichtet werden konnten und in 2012 hieß es endlich: Die Biber sind da! (Aachener Umwelt-Rundbrief Nr. 71 / Dez. 2012). Gleich von zwei Seiten hatten sie sich in diesem Jahr im nächtlichen Dunkel auf städtisches Gebiet vorgewagt: an der Inde und auch an der Wurm. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie allerdings von dem Gros der Bevölkerung noch gar nicht wahrgenommen. …

Biber (Castor fiber) sind pelzige Gesellen mit schuppigen Schwanz und mächtigen Nagezähnen. Mit gut einem Meter Länge (plus nochmals 25 bis 30 Zentimeter Schwanz) und bis zu 30 Kilogramm Körpergewicht ist so ein Biber ein mächtiger Brocken und das größte europäische Nagetier bzw. das zweitgrößte weltweit. Die Tiere selber bekommt man allerdings nur selten zu Gesicht, denn sie sind vorzugsweise in der Nacht aktiv. Aber sie hinterlassen deutliche Spuren: benagte und gefällte Bäume und Bäumchen in unmittelbarer Ufernähe mit den typisch sanduhrförmigen Bissspuren. Bei näherer Betrachtung kann man oft auch die Doppel-Zahnspuren der Nagezähne erkennen. Die Hobel-Reste liegen unmittelbar daneben.

Die ersten Nachweise

Zuerst wurden solche Spuren an der Inde bei Kornelimünster aufgefunden. Das ist zu erwarten gewesen, um nicht zu sagen von einigen Naturfreunden herbeigesehnt. Schließlich sind zwischen 1981 bis 1989 die ersten Biber – insgesamt 5 Pärchen und 2 Einzeltiere – in der Nordeifel an der Wehe, also einem Zufluss der Inde, ausgesetzt worden. Von dort haben sie sich recht schnell ausgebreitet. Heute, gut 30 Jahre später, sind nach Aussagen der Biologischen Station Düren fast alle potentiellen Biberreviere im Kreis Düren besetzt. Die gesamte Rur von der Quelle bis zur Mündung sowie viele Nebengewässer wurden nach und nach wieder besiedelt. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Tiere bei Aachen/Kornelimünster auftauchen würden.

Doch auch von Norden her über die Wurm ist der Biber bis ins Stadtgebiet vorgedrungen. In dem erst vor wenigen Jahren renaturierten Abschnitt der Wurm an der Krefelder Straße, gegenüber der Justizvollzugsanstalt, fühlen sich die Tiere offenbar ebenfalls wohl. Die abgelegene und nur schwer zugängliche Lage sowie das dichte Weidengebüsch in dieser jungen Flusswildnis bieten sich an. Es ist anzunehmen, dass diese Tiere die Wurm hochgewandert sind. Bereits seit vielen Jahren ist ein Biberbestand bei Übach-Palenberg bekannt. Seine Herkunft ist nicht eindeutig. Möglicherweise stammen die Tiere ebenfalls von den Eifel-Bibern ab. Oder aber sie sind aus den Niederlanden eingewandert, wo an der Maas und einigen Nebengewässern gleichfalls Biber ausgewildert wurden.

Als vegetarischer Feinköstler frisst der Biber am liebsten die Rinde und Zweige junger Weiden und Pappeln. Aber auch Buchen, Eschen und viele andere Laubhölzer mag er. Mitunter sogar die gerbstoffreichen Eichen. Nur Schwarzerlen mag er gar nicht. Und da Biber nicht klettern können, müssen sie die leckeren Zweige anderweitig zu sich herunterholen. Zwar werden junge Bäumchen bevorzugt, doch schreckt er auch vor alten Baumveteranen nicht zurück – selbst wenn’s Tage – oder besser Nächte – dauert, um sie zu fällen. Im Sommer bevorzugt er allerdings zarte Kräuter und Wasserpflanzen. Die züchtet er sozusagen selbst, indem er für reichlich Besonnung sorgt. Und so ganz nebenbei schafft er auch noch neuen Lebensraum für andere selten gewordenen Tiere und Pflanzen. Naturschutz und Gewässerrenaturierung quasi zum Nulltarif.

Biber sind begnadete Baumeister und das ohne Zahlenkenntnisse und Architekturstudium. Es liegt ihnen einfach im Blut, sie können gar nicht anders. Von einer einfachen Höhle bis zur prächtigen Burg – kein Problem für einen Biber. Allerdings muss der Eingang unter Wasser liegen, da gibt es kein Wenn und Aber. Und wenn das Gewässer zu flach ist, wird eben ein Damm gebaut und das Wasser aufgestaut. Auf diese Weise lassen sich selbst kleinere Bäche bibergerecht umgestalten. Im Landschafts- und Gartenbau stellt der Biber ebenfalls seinen Meister. Denn davon, wie das Umfeld seiner Behausung auszusehen hat, hat er sehr klare Vorstellungen. Mit Baumschutz dagegen hat er nichts im Sinn. Was ihm schmeckt, aber auch was nicht zu seinem Gestaltungskonzept passt wird gnadenlos benagt und umgelegt.

An Inde und Wurm hielt sich der Gestaltungsdrang der Biber zunächst in Grenzen. Burgen und Dämme suchte man hier vergebens. Aber was nicht ist kann ja noch werden… Und tatsächlich: nach den relativ trockenen, wasserarmen Sommermonaten in 2016 hat er vor allem an der Inde fleissig Dämme gebaut, um einen ihm genehmen Wasserstand zu erhalten. Es folgten weitere Dämme, u.a. am Wildbach, und auch die eine oder andere „Burg“. Solche „Burgen“ aus Astwerk errichtet der Biber nur, wenn er keine unterirdischen Höhlen anlegen kann, sei es, dass das Grundwasser zu hoch ansteht oder das anstehende Gestein zu hart ist.

Die weitere Ausbreitung und erste Konflikte

Karte 1: Ausbreitung des Bibers an Aachener Gewässern (bis Anfang 2018) – Einzugsgebiet Wurm

Karte 2: Ausbreitung des Bibers an Aachener
Gewässern (bis Anfang 2018) – Einzugsgebiet Inde

Erwartungsgemäß breiten sich die Tiere auch in den Aachener Gewässern immer weiter aus. Inzwischen sind sie an der Inde bis zu den Quellbächen im Münsterwald gewandert. Auch an der Iter gab es in 2015 ein schönes Biberrevier, bis es kurz darauf mysteriöserweise wieder aufgegeben wurde. Inzwischen haben sich dort jedoch wieder neue Tiere eingefunden. Und von der Wurm aus haben sie den Wildbach erobert. Die beiden Karten zeigen die Ausbreitung an den Aachener Bächen seit 2012 bis Anfang 2018. Die zukünftige Entwicklung darf mit Spannung erwartet werden. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass die Biber sich kleinere Bäche und Gräben erschließen. Denn geeignete freie Biberreviere werden überall langsam knapp. Etwa vom Haarbach ausgehend an den Freunder und Brander Bach. Von dort wäre es nur noch ein „Katzen“sprung bis zur Inde – und der durchaus wünschenswerten Vermischung der verschiedenen Biberpopulationen.

2014 hat ein Biber an der Iter viele dieser schönen Kopfweiden gefällt. Und dann war er eines Nachts verschwunden.

Zugegeben, dass sind alles Zukunftsvisionen. Dass der Beverbach wieder zum Lebensraum seines Namenspatrons wird, galt eigentlich als eher unwahrscheinlich, da die Kanalisation im Stadtgebiet eine Aufwärtswanderung der Tiere unmöglich macht. Biber könnten höchsten über den Umweg Inde-Holzbachb bzw. Göhl und ein Stück Landweg den Beverbach erreichen. Tatsächlich wurde aber am Beverbach vor zwei, drei Jahren ein toter junger Biber aufgefunden! Und toll wär’s ja schon – der halbe Öcher Bösch plötzlich unter Wasser, weil der Biber Dämme wie an der Wehe baut, hierfür fleißig Bäume fällt, um lichte Plätze mit reichlicher Krautvegetation zu schaffen….

Womit wir denn bei den Konflikten wären, die eine Wiederansiedlung der Biber an den städtischen Gewässern zwangsläufig mit sich bringen wird. Die Vorstellungen von einem „gepflegten“ Gewässer stimmen bei Mensch und Biber nicht unbedingt überein und von Eigentumsrechten und Hochwasserschutz hat er noch nie gehört.

Vor allem bringt seine Vorliebe für knackige Baumrinde so manchen großen Baum aus dem Gleichgewicht. Dumm, wenn dann gerade ein Haus, eine Straße oder eine Stromleitung in der Fallrichtung liegt. Noch dümmer für Mensch, wenn der Biber feststellt, dass Mensch (ihm) gleich einen ganze Reihe von diesen leckeren Futterbäumen als Uferbegleitgrün gepflanzt hat – alle in schön gleichmäßigen Abständen. Obstbäume hat er übrigens auch sehr gerne. Und Mais, Rüben, Kohl. Angeblich sogar Rote Beete. Bei seinen nächtlichen Streifzügen entfernt er sich allerdings nie allzu weit vom Gewässer, selten weiter als 15 Meter. Sagt die Literatur – die Erfahrung, konkret etwa an der Inde bei Hahn, zeigt, dass der Biber für einen leckeren Apfelbaum auch schon mal deutlich weiter läuft.

Problematisch kann sich auch Bibers Neigung zum Graben unterirdischer Gänge in den Uferzonen erweisen. Dadurch verursachte Uferabbrüche sowie Böschungsrutschungen und Unterspülungen an Deichen und Dämmen können angrenzende Nutzungen beeinträchtigen oder auch den Hochwasserschutz gefährden. Allgemein bekanntes Beispiel ist der Uferdamm zwischen den Teichen an der Soerser Mühle. Hier hat der Biber mehrfach den Damm untergraben, so dass nicht nur Wasser vom Angelteich in den – eigentlich – trocken liegenden Nachbarteich sickert, sondern wegen akuter Einbruchsgefahr seit nunmehr zwei Jahren der beliebte Wanderweg gesperrt ist. Mehr dazu auf der Seite: „Wenn Biber buddeln ….“ von 2017 (Umwelt-Rundbrief Nr. 80).

Die durch einen Biberdamm aufgestaute Inde fließt nun über die angrenzende Viehweide (Jan. 2018)

Weil der Maisacker bis unmittelbar an das Bachufer reicht, ist bei der Feld-Bearbeitung die Decke des Biberbaus eingestürzt

Übrigens sind Biber durch die FFH-Richtlinie der EU geschützt und zählen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders und streng geschützten Tierarten. Die Schutzwirkung bezieht sich nicht nur auf die Tiere selber, sondern auch auf ihre Lebensstätten. So dürfen beispielsweise auch Biberdämme nicht beschädigt oder gar zerstört werden. Und es ist auch nicht erlaubt, tot aufgefundene Biber in Besitz zu nehmen, sie sollten der Behörde gemeldet werden. Nur im Ausnahmefall, wenn keine zumutbaren Alternativen bestehen, dürfen die Behörden den Fang oder auch den Abschuss einzelner „Problemtiere“ genehmigen.

Die meisten Konflikte mit Bibern ließen sich vermeiden, wenn wir an allen potentiellen Lebensraum-Gewässern einen beidseitigen Randstreifen von 15 – 30 Meter Breite einrichten würden, in der allenfalls eine extensive Flächennutzung zugelassen wird. Solche Randstreifen fordern Naturschützern schon seit langem für eine natürliche Gewässerentwicklung. Gefährdete Einzelbäume und Gärten lassen sich recht simpel mit Drahtgitter und (Elektro-)Zäunen schützen. Gewässer-Anrainer werden am besten schon vorbeugend in dieser Hinsicht aktiv.

Öffentlichkeitsarbeit tut Not

Besonders wichtig wäre vor allem eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, doch daran mangelt es bislang noch in Aachen. Aufklärung ist ein wichtiger erster Schritt zur Akzeptanz und Betroffene müssen Ansprechpartner haben. Anderenorts gibt es Biberberater, die im Konfliktfall vermitteln und beraten. Die Menschen bekommen dadurch das Gefühl, nicht allein gelassen zu bleiben und die Akzeptanz für den Biber steigt deutlich. Die Biologische Station im Kreis Düren hat sich des Themas schon vor Jahren angenommen. Deren Mitarbeiter erforschen das Leben der Biber, sammeln Informationen über Bibervorkommen in der Region und betreiben aktive Öffentlichkeitsarbeit. Auch anderenorts betreuen die Biologischen bzw. Naturschutz-Stationen und Biberberater die Bibervorkommen vor Ort und können bei Problemen schnell und unbürokratisch beraten und gegebenenfalls den Kontakt zu Behörden und Wasserverband herstellen. Alle Kontakte sind untern aufgelistet.

Entscheidend wird letztendlich sein, ob wir Menschen auch in Aachen bereit sind, Bibers Landschaftsgestaltungen zu akzeptieren und gegebenenfalls Beeinträchtigungen hinzunehmen. Oder wird es wieder am Ende einmal mehr heißen „Ja – aber nicht vor meiner Haustür!“?

Ansprechpartner

Biber in Aachen: – Untere Naturschutzbehörde: 0241 – 432-36400 / umwelt@mail.aachen.de – NABU-Naturschutzstation Aachen: 0241 – 870891 / info@naturschutzstation-aachen.de – Ökologie-Zentrum Aachen: 0241 – 8891425 / monnel@oekologie-zentrum-aachen.de

Biber in der Region: – Biologische Station Städteregion Aachen: 02402 – 12617-0 / info@bs-aachen.de – Biologische Station im Kreis Düren: 02427 – 94987-0 / biberberater@biostation-dueren.de

Weiterer Informationen zum Biber allgemein und in unserer Region: http://www.biostation-dueren.de/73-0-Projekt-Biber.html www.eifelbiber.com www.biber-nrw.de

Biber in der Umweltbildung

Die Umweltbildung kann bei der Aufklärung und Sympathiewerbung für den Biber einen wichtigen Beitrag leisten. Biber-Exkursionen sind im Stadtgebiet zur Zeit noch schwierig, da sich die Tiere vorzugsweise in nicht zugänglichen Naturschutzgebieten niedergelassen haben, in denen das Verlassen der ausgewiesenen Weg zum Schutz der Natur nicht erlaubt ist. Wer einmal eine Führung in einen Biber-Lebensraum mitmachen will, dem sei eine Wanderung ins Brackvenn mit Gisela Lenze empfohlen (s. offene Angebote). Auch die Biostation Düren sowie die Rurtouristik in Heimbach bieten Biber-Exkursionen für Erwachsene und Schulen an. Im Sommer kann man die nachtaktiven Tiere mit etwas Glück sogar auf Abendexkursionen beobachten. Ansonsten ist für eine ‚Spurensuche’ das Winterhalbjahr, wenn die Vegetation nicht so hochgewachsenen ist, die bessere Jahreszeit. Von der Biostation Düren hat das Ökologie-Zentrum Aachen 2015 eine „Biberkiste“ überreicht bekommen. Sie enthält allerlei faszinierender Anschauungs- und Aktionsmaterial zur Gestaltung von Unterrichts- oder Exkursionseinheiten. Damit soll bereits Kindern und Jugendlichen verdeutlicht werden, wie wichtig der Biber in der Natur ist. Die Materialkiste steht zur Ausleihe im Koffer & Kisten-Projekt allen Schulen und anderen Organisationen zur Verfügung. Interessenten können dazu eine Unterrichtseinheit buchen.

(Februar 2018)