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Stadtbiotop Schwedenpark

Geschichte des Schwedenparks

Der Schwedenpark an der Brabantstraße (Nähe Oppenhofallee) ist der Rest einer alten Gartenbrache, die zu dem angrenzendem bebauten Gelände gehörte. Anstelle der heutigen Wohnbebauung stand eine alte Tuchfabrik, für die die Gartenanlage mit dem schmiedeeisernen Zaun zur Brabantstraße geschaffen wurde. Das Ökologie-Zentrum setzt sich seit Jahren für den Erhalt dieses Stückchens Wildnis in der Stadt ein und hat dafür den Begriff „Stadtbiotop“ geprägt. Neben einigen wenigen sehr alten Bäumen ist es gerade der naturnahe, verwilderte Charakter, der das Gelände für Mensch und Tier so wertvoll macht.

Das Gelände ist ein letzter, offen gebliebener Rest des Bachtals der Wurm, die heute kanalisiert unter der Brabantstraße fließt. Bis zur Bebauung des Frankenberger- und Steffensviertels ab 1875 floss die Wurm durch Wiesen und Felder vor den Toren der mittelalterlichen Stadtmauer. Über das Gelände des heutigen Schwedenparks verlief ein Mühlengraben, der von der Wurm abzweigte und zur „Weißen Mühle“ führte. Diese Mühle stand auf dem Gelände der hinter dem Schwedenpark gelegenen Wohnbebauung. In ihrer Geschichte – sie wird 1563 erstmalig erwähnt – ist sie als Kupfer-, Schleif- und Spinnmühle sowie als Öl- und Mahlmühle genutzt worden. Auf alten Karten befindet sich neben der Weißen Mühle ein Stauweiher. 1835 wurde sie in eine Tuchfabrik umgewandelt.

Seit 1911 befand sich auf dem Gelände die Cüppersche Tuchfabrik. Vor der Tuchfabrik, entlang der Brabantstraße war ein parkartiger Garten angelegt. Die ältesten Bäume auf dem Gelände dürften aus dieser Zeit stammen. 1930 wurde die Tuchfabrik geschlossen. Nach einigen Zwischennutzern gehörten die Gebäude ab 1959 der Volltuchfabrik G.Walther, in der 1976 die Produktion eingestellt wurde. In den Folgejahren wurden die verschiedenen Gebäudeteile von verschiedenen Firmen genutzt, teilweise standen sie auch leer.

Von der Gartenanlage entlang der Brabantstraße ist nur ein ca. 300 qm großes Stückchen übrig geblieben. Es handelt sich um eine der wenigen Stellen im Viertel, die frei von Wohnbebauung geblieben sind. Aufgrund der Lage in der Talsohle der Wurm steht das Grundwasser weniger als einen halben Meter unter der Erdoberfläche, daher ist das Gelände sehr morastig.Der Name „Schwedenpark“ wurde vom Ökologie-Zentrum geprägt und wird heute allgemein verwendet. Er geht zurück auf die Errichtung eines Pavillons, der vom Schwedischen Roten Kreuz nach dem II. Weltkrieg zur Kinderbetreuung errichtet und unterhalten wurde. Nach dem Abriss des Pavillons in den 70er Jahren begann 1984 unser Engagement für die Erhaltung des Parks. Der Schwedenpark ist nach langjährigen Bemühungen des Ökologie-Zentrums seit 1996 als öffentliche Grünfläche im Flächennutzungsplan der Stadt Aachen festgelegt.

Ausschnitt aus dem ‚Rappard-Plan‘ von 1830.

Viele Jahre wurde der „Schwedenpark“ einmal jährlich von Freiwilligen des Ökologie-Zentrums von Unrat gereinigt. Im vorderen Bereich wurde einmal jährlich gesenst, um den Aufwuchs von Gehölzen zu bremsen. Der hintere Bereich wurde sich selbst überlassen und wurde im Laufe der zeit immer undurchdringlicher. In diesen Jahren fanden regelmäßige Begehungen des Geländes für die Öffentlichkeit statt. Außerdem nutzte das Ökologie-Zentrum den Schwedenpark für umweltpädagogische Aktionen mit den Kindertagesstätten und Schulen der Umgebung. Mehrfach wurden die Anwohner eingeladen, sich an den Säuberungsaktionen oder den Begehungen des Geländes zu beteiligen, um das Wissen um den Wert der Grünfläche zu erhöhen. Auch Kunstaktionen und Sommer-Feste erlebte der „Schwedenpark“ in den Jahren bis zum Abriss der Fabrikanlagen im Jahr 2003. In den Folgejahren blühte das nun vergrößerte offene Gelände noch einmal richtig auf. Schnell eroberte die Natur die entstandene Brachfläche zurück und brachte eine große Vielfalt an Pflanzen und ein reiches Teileben hervor. Insbesondere die verschiedensten Insekten und Vögel besiedelten den ungestörten Raum inmitten den Stadt.

Abrissgelände der alten Tuchfabik in 2004 und in 2010

Kurz vor Fertigstellung der Bauarbeiten April 2015

Leider setzten die Bauarbeiten für die heutige Wohnbebauung der Idylle ab 2013 ein Ende. Es wurden vier große rechteckige Wohnblocks auf einer Tiefgarage gebaut, insgesamt 64 Wohnungen für den gehobenen Bedarf. In der Tiefgarage stehen 78 Parkplätze zur Verfügung. Während der Bauphase wurden einige Bäume am Randbereich des Schwedenpakrs in Mitleidenschaft gezogen und Ende 2015 dann gefällt. Weitere Bäume sind so stark beschädigt, dass sie bald folgen werden.

Ökologische und Soziale Bedeutung

Von der Straße her kommend sieht man fällt das schöne schmiedeeiserne Gitter auf, das allerdings schon längst einen neuen Anstrich benötigen würde. Das Gelände ist nur von der Einfahrt zu der dahinter befindlichen Wohnbebauung zugänglich. Der erste Eindruck vom Park selbst ist der eines kleinen, wild wachsenden Waldes. Alte teilweise stark zurück geschnittene Rosskastanien, Bergahorne und Eiben beschirmen das Gelände, zahlreiche kleinere Bäume sowie Sträucher im Unterwuchs machen es in der Vegetationsperiode undurchschaubar, Waldreben und Efeu ranken in den Gehölzen und geben dem Ganzen einen verwilderten Charakter.

Zahlreiche Gehölze besiedeln das Gelände darunter verschiedenen Weidenarten, Stieleichen, Robinien, die Schneebeere (besser als Knallerbse bekannt), Schwarzer Holunder, Weißdorn, Johannisbeere, Hartriegel und Hasel.

Der Pflanzenbewuchs sorgt für eine Verbesserung der Luftqualität im Quartier. Wenn sich im Sommer die Straßen aufheizen, bietet die Masse an vorhandenem Blattwerk Kühlung, Befeuchtung und die Reinigung der Luft von Schadstoffen. Das Kleinklima wird verbessert.

Der Regen fließt im Gegensatz zur versiegelten Umgebung nicht schnell ab, sondern verdunstet bzw. versickert langsam, und trägt auf diese Weise auch zur Grundwasseranreicherung bei.

Die für die Stadt ungewöhnlichen Standortbedingungen bieten Pflanzen und Tieren einen vielfältigen Lebensraum. Besonders im hinteren Teil, der fast unberührt und dicht bewachsen ist, können Tiere ein Rückzugsgebiet finden. Der Schwedenpark ist auch geeignet, ein Glied in einer Kette von „Biotopvernetzungen“ in der Stadt zu sein. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, damit Tiere und Pflanzen überhaupt ihren Weg zurück in die Stadt finden.

Ein bedeutsames Stadtbiotop ist der Schwedenpark vor allem durch seine Strukturvielfalt (mehrschichtige Vegetation sowie Verschiedenartigkeit der Standortverhältnisse) und sein recht hohes Alter (neben den 80-100 Jahre alten Bäumen wachsen die Sträucher seit drei Jahrzehnten fast ungestört). Beide Faktoren machen ihn über diesen Stadtbezirk hinaus einzigartig. Leider wurden in den vergangenen 10 Jahren mehrere Fällaktionen im Schwedenpark durchgeführt mit der Begründung, die Verkehrssicherheit müsse gewährleistet werden. Diesen Fällungen fielen auch die beiden größten Bergahorne zum Opfer.

Neben den eingangs genannten Gehölzen finden sich auch im krautigen Bodenbewuchs Arten des Waldes, so Walderdbeere, Knoten-Braunwurz, Nelkwurz, Giersch und Gundelrebe. Und natürlich die Keimlinge der Bäume und Sträucher. An einer Stelle mitten im Gelände weisen Bitteres Schaumkraut, Wasserdost, Kriechender Hahnenfuß und Rauhhaariges Weidenröschen auf relativ feuchten Boden hin. Aber auch trockene, lichtreiche Flächen sind vorhanden: hier dominieren Goldruten und Beifuß. Zwischen diesen sich ungestört entwickelnden Stauden hat die Zaunwinde, ein Rankgewächs, Fuß gefaßt.

Zwischen dem dichten Strauch- und Krautbewuchs sind auch Platz und offener Boden geblieben für kurzlebige bzw. trittresistente Arten wie Wegrauke und Breitblättriger Wegerich, die im übrigen auch darauf hinweisen, dass das Gelände öfter betreten wird. Und an der alten Ziegelmauer im hinteren Teil des Parks hat das Zimbelkraut offenbar gute Bedingungen zum Leben vorgefunden. An dieser Mauer wurden auch mehrfach Fledermäuse beobachtet.

Mit unserem Eintreten für den Schwedenpark versuchen wir exemplarisch die Bedeutung von unbebauten Flächen für das Leben in der Stadt darzustellen. Dabei beziehen wir uns im Wesentlichen auf einen direkten Nutzen für die in der Stadt lebenden Menschen; Artenschutzgründe spielten dabei eine etwas untergeordnete Rolle.Für den Schwedenpark etablierten wir die Bezeichnung „Stadtbiotop“ mit der Absicht, diese Art von weitgehend wild bewachsenen Flächen in ihrer Bedeutung hervorzuheben und gegenüber der eher negativen Wertung als Baulücke aufzuwerten. Unter „Stadtbiotop“ verstehen wir eine wild bewachsene Fläche in der Stadt, die sich weitgehend ungestört, d.h. ohne intensive Pflegemaßnahmen entwickeln kann und aus diesem Grund etwas in der Stadt selten gewordenes, ungewöhnliches darstellt.

Ein Stadtbiotop bietet vielen Tieren und Pflanzen Heimat, die sich ansiedeln können, ohne dass der Mensch planend und ordnend eingreift. Dabei kommt es uns nicht auf den Seltenheitswert der Pflanzen- und Tierwelt an, sondern auf die Vielfalt einer Fläche. Für viele Aachenerlnnen sind solche Anblicke selten geworden, seit die meisten Baulücken in der Stadt geschlossen wurden. Die einmaligen und nicht zu übertreffenden Abenteuerspielplätze, die Trümmergrundstücke und Brachen boten, finden Kindern im städtischen Raum heute kaum noch vor. Der erzieherische Wert des Erlebens von „Naturräumen“ erscheint uns besonders wichtig, da eine Umweltpädagogik ohne diese Erfahrungswelt keinen Nährboden findet.

Es geht um das Recht von Menschen, die in der Stadt leben, mit eigenen Augen Schmetterlinge und Vögel zu beobachten, Knospen und Samen auseinander zu pflücken und zu untersuchen, Wildblumen zu sehen oder sich an Brennnesseln zu verbrennen. Eine Beziehung zu natürlichen Gegebenheiten entwickelt sich nur, wenn sie Teil der alltäglichen Umgebung sind und als solche wahrgenommen und respektiert werden.Der Schutz und die Planung weiterer Stadtbiotope unterschiedlicher Art sind ein Konzept gegen die für Menschen, Pflanzen und Tiere eintönig und unwirtlich gewordenen Städte. Flächen wie der Schwedenpark sind eine zusätzliche Bereicherung zu den gepflegten Parks mit säuberlich geschnittenem Rasen und Blumenrabatten und müssen deshalb unbedingt einen eigenen Stellenwert zuerkannt bekommen.

(Januar 2016)