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Bürger- und Jugendpark Moltkebahnhof

Seit dem Jahr 2000 ist er offiziell in die Liste der Aachener Parkanlagen eingereiht und doch kennen ihn selbst viele Bewohner des angrenzenden Frankenberger Viertels nicht. Denn der einstige Güterbahnhof liegt versteckt zwischen Bahndamm, Maria-Montessori-Gesamtschule und Frankenberger Burg. Wer allerdings einen schön gepflegten Park mit Blumenrabatten erwartet, wird überrascht sein. Neben großzügig angelegten Spiel- und Sportplätzen zeichnet sich das Gelände durch eine im Aachener Stadtgebiet einzigartige Wildnis aus.

Das ehemalige Güterbahnhof-Gelände schmiegt sich an den Dammfuß der Bahnlinie über das Gillesbach-Tal. Die Zufahrt der Züge erfolgte vom Bahnhof Rothe Erde aus, der Abtransport der Güter über Moltkestraße und Bergische Gasse. Obwohl es sich bei dem alten Bahnhofsareal um ein vollständig künstlich durch den Menschen umgeformtes Gelände handelt, finden wir auf dem verbliebenen Reststück ansonsten im Aachener Stadtgebiet so seltene Standort-Bedingungen vor, daß sich hier ungewöhnlich zahlreiche und seltene Pflanzen und Tiere angesiedelt haben.

Geschichtliche Entwicklung

Der Güterbahnhof wurde 1892 im Rahmen der Neustrukturierung der Aachener Bahnhöfe angelegt, gut 50 Jahre nach dem Bau der Eisenbahnlinie Köln – Aachen – Antwerpen. Bis dahin dürfte es sich um einen recht idyllischen Ort gehandelt haben. Die weite Landschaft mit Wiesen und Äckern wurde vom Gillesbach durchflossen, der auch die breiten Wassergräben der Burg Frankenberg speiste.

Anfangs erhoben die Aachener gegen das Bauvorhaben lautstark Protest, denn das Gelände gehörte zur damals noch selbstständigen Stadt Burtscheid. Auch befürchtete man negative Auswirkungen auf das gerade im Entstehen begriffene, noble Wohngebiet des Frankenberger Viertels. Gebaut wurde trotzdem – schon damals hatten wirtschaftliche Belange Vorrang.

Etwa ab Mitte 1960, nach dem Einstellen des Bahnbetriebes, wurde das Gelände entweder als Gewerbefläche genutzt oder lag brach. Viele Jahre verbrachte der nur schwer zugängliche, ehemalige Güterbahnhof in einer Art Dornröschenschlaf. Ins Interesse der Öffentlichkeiterst rückte er wieder in den 80er Jahren. Mal sollte er das Kernstück einer Landesgartenschau im Jahre 2000 werden, mal als Gewerbefläche oder für die Bebauung mit Wohnungen freigegeben werden. Das Ökologie-Zentrum, das seit Jahren ökologische Führungen durch das Gelände anbot, setzte sich für eine Erhaltung als städtisches Biotop und Wildnis-Erlebnisraum ein und beteiligte sich mit einer Zukunftswerkstatt an der Diskussion. Einige der dabei entwickelten Ideen, wie die lange Rutsche von der Brücke Erzberger Allee, sind später sogar umgesetzt worden.

Letztendlich wurde je ein Drittel des Geländes für Gewerbe und für die neue Gesamtschule genutzt. Das letzte Drittel blieb als Park unbebaut, doch leider mußte auch auf diesem Teilstück noch ein erheblicher Anteil der ursprünglichen Wildnis diversen Spiel- und Sportanlagen („Aktionsbereich“) weichen. Die Tier- und Pflanzenartenvielfalt ist immer noch sehr hoch, z.T. haben sich neue Arten eingestellt. Leider ist die Standortvielfalt nicht mehr so breit wie vor der Umgestaltung, zu viel wurde mit schwerem Gerät planiert und „bereinigt“. Auch finden sich nur noch wenige Erinnerungen an die einstige Nutzung, denn die meisten Gleise wurden herausgerissen und abtransportiert. Geblieben sind die Schotter-Betten und die Ladestraße aus Basaltpflaster-Steinen sowie einige alte Bauelemente.

Seither sind einige Jahre vergangen und der Charakter der Flächen hat sich stark gewandelt. Die gehölzfreien Biotope, die den besonderen Reiz ausmachten, sind weitgehend verschwunden. An ihre Stelle sind dichter Strauch- und Baumwuchs getreteten, eine Folge der natürlichen Sukzession. Auch diese Entwicklung ist ökologisch wertvoll, zumal sich neben den Pioniergehölzen Birke und Zitterpappel viele fruchttragende Sträucher, insbesondere prachtvolle Hundsrosengebüsche ausbreiten. Auf einem kleinen Teilbereich führt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) jährlich in Zusammenarbeit mit der Stadt Pflegemaßnahmen durch, um die Fläche von Gehölzaufwuchs frei zu halten. Hier entwickelt sich ein blütenreiches Wiesenbiotop. Die einst für das Bahngelände typischen Ruderalfluren mit ihren im Stadtgebiet seltenen Pflanzen- und Tierarten jedoch verschwinden immer mehr.

Ein Problem für die Natur ist der mittlerweile starke Besucherverkehr, erfreut sich der ‚Molle‘ doch zunehmender Beliebtheit. Dadurch gibt es gibt kaum noch Ruhezonen für die Tierwelt. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Besucher ist jedoch nicht vorgesehen, denn NaturERLEBEN in der Stadt ist uns sehr wichtig, gerade für Kinder und Jugendliche. Wünschenswert wäre allerdings, dass dies auch die Hundehalter erkennen und die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeine beseitigen würden.

Moltkebahnhof – Tier- und Pflanzenwelt

Standort

Es ist eine Kombination von selten anzutreffenden Standortbedingungen (nährstoffarm – trocken – warm) und kleinräumig wechselnder Vielfalt, welche das Bahnhofsgelände zu einem innerstädtischen ökologischen Kleinod werden ließ. Dabei handelt es sich bei dem Untergrund des ehemaligen Güterbahnhofgeländes nicht um natürlich gewachsene Böden, sondern um künstlich aufgeschüttetes Material unterschiedlichster Herkunft.

Da sind die kalkreichen, groben Schotterschichten, welche einst den Untergrund für die Schienenstränge bildeten. Oder die ehemalige Ladestraße mit einer Pflasterung aus Basaltsteinen im Zentrum des Geländes. Dazwischen finden sich verdichtete Rohböden, Sandflecken, mit Bauschutt aufgefüllte Mulden und Reste der ehemaligen Bebauung. Neu hinzugekommen sind mit der Parkgestaltung angelegte Wege mit einer Decke aus Asphalt oder Kalksplitt sowie neu planierte Flächen.

Vorherrschendes Merkmal aller Böden ist ihr Mangel an Feinerde/Humus und ihre große Nährstoffarmut. Zwischen den Schottern und Sanden versickert das Regenwasser rasch, so dass nur gegenüber Wasserstress wenig empfindliche oder tief wurzelnde Pflanzen eine Überlebenschance haben. Über verdichteten Bodenpartien vermag sich Regenwasser zumindest kurzzeitig zu sammeln, doch trocknen sie bei längeren regenlosen Zeiten ebenfalls rasch aus. Gleichzeitig sind durch die windgeschützte Lage und durch den hohen Steinanteil die Einstrahlung und Erwärmung tagsüber sehr groß.

Pflanzenwelt 2003/4

Die zentralen Offenlandbiotope, die dem Gelände früher seinen einmaligen Charakter geben, zeichneten sich durch eine schüttere Vegetation mit einem hohen Anteil bunt blühender Kräuter aus. Die Pflanzen- und Tierarten, die sich hier einfanden, waren an die schwierigen Wuchsbedingungen optimal angepasst. Sie könnten auch auf „besseren“ Standorten überleben, sind dort jedoch der Konkurrenz anderer, wuchsstärkerer Arten unterlegen.

Die meisten Kräuter ließen sich den halbruderalen Sand- und Magerrasen-Ggesellschaften sowie den wärmeliebenden Ruderalfluren zuordnen. Zumindest in 2003/2004 bildeten Vertreter der Natternkopf-Steinklee-Flur die (farb-)tonangebende Gesellschaft. Diese Pflanzengesellschaft wächst bevorzugt auf kalkreiche Böden. Auffällig war auch der hohe Anteil an Schmetterlingsblütlern wie Hornklee, Steinklee (auch Honigklee genannt) und Weißklee. Vertreter dieser Großfamilie vermögen den lebenswichtigen Stickstoff aus der Luft zu binden und sind daher nicht auf eine Versorgung aus dem Boden angewiesen. Im Gegenteil reichern sie den Boden beim Absterben noch mit Stickstoff an.

Gehölzfreie Standorte mit besserer Nährstoff- und Wasserversorgung traten meist nur kleinflächig und verstreut auf. Günstige Wuchsbedingungen für Pflanzen fanden sich beispielsweise im Schatten von Gehölzen, an Mauerfüßen oder in verdichteten Bodenmulden usw.. Auch wenn solche Krautsäume eine größere Grünmasse bilden, sind sie vegetationskundlich weniger wertvoll, denn es überwiegen Allerweltsarten wie Brennnessel, Ampfer oder Beifuss. Für die Tierwelt sind sie jedoch insofern wichtig, als sie Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten bieten.

Größere zusammenhängende Gehölzbestände fanden sich hauptsächlich an den Randzonen entlang des Bahndammes bzw. zum Frankenberger Viertel hin, in geringem Umfang aber auch in der zentralen Fläche. Die von Birken dominierten Pioniergehölze auf den groben Bahnschottern waren arm an Unterholz, denn auf den feinerdearmen Schottern konnten außer Sandbirken, Pappeln oder (Sal-)Weiden nur wenige Gehölze Wurzel fassen. Eine der bemerkenswerten Pflanzenarten in diesen Bereichen ist die Sumpf-Stendelwurz, unsere häufigste heimische Orchideenart.

Reicher an Pflanzenarten waren die Gehölze zum Hangfuß am Bahndamm hin. Hier sammelte sich in einer grabenähnlichen Mulde Hangwasser, Boden und Mulchmaterial, so daß anspruchsvollere Arten gedeihen konnten. Darunter befanden sich zahlreiche Feuchtezeiger wie Schwarzerle, Blutweiderich, Wasserdost, Laucharten, Farne und Sauergräser.

Pflanzenwelt 2015

Mittlerweile hat sich der Charakter der Vegetation stark verändert. Die offenen, kargen Ruderalbiotope sind weitgehend verschwunden. Da die für Bahnbiotope typischen drastischen Eingriffe unterblieben, setzte eine natürliche Sukzession ein. Bäume und Sträuchern konnten sich ungestört ausbreiten. Aus ihrem Laub entwickelte sich eine dünne Humusschicht, die die Ansiedlung neuer, anspruchsvollerer Pflanzenarten ermöglichte.

Tierwelt

Zu den Planungen einer Landesgartenschau in Aachen im Jahre 2000 wurde u.a. auch die Tierwelt untersucht. Es wurde vor allem ein großer Reichtum an Insekten festgestellt, darunter einige seltene Arten, die nur ein Fachmensch richtig beurteilen kann. Viele Insekten sind auf einige wenige Pflanzenarten als Nahrungspflanzen angewiesen, die sie nur hier finden.
Ein aufmerksamer Besucher kann Ameisen, Wanzen und Zikaden sowie zahlreiche Käferarten entdecken. Recht häufig findet man z.B. Marienkäfer oder den gefräßigen Pappelblattkäfer. An heißen Sommertagen, wenn die Vegetation langsam welk wird, kann man neben dem Aufspringen der Schoten des Hornklees deutlich das Zirpen der Heuschrecken hören. Wie die meisten der hier vorkommenden
Für Hautflügler bieten die offenen, trocken-warmen Ruderalstellen ein reichhaltiges Nahrungs- und Nistplatzangebot. Zu dieser Tiergruppe zählen beispielsweise Bienen, Wespen und Hummeln. So baut die Sandbiene im Frühjahr ihre Brutnester in Sandböden, ähnlich wie Grab- und Wegwespen oder die seltene Erdhummel. Besucher tun also besonders im Frühjahr gut daran, auf den Wegen zu bleiben, um
Am auffälligsten aber sind im Sommer die Schmetterlinge. Rund 60 verschiedene Tag- und Nachtfalterarten wurden im Gutachten aufgeführt. Besonders häufig sind Weißlinge, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Distelfalter. Bläulinge schweben über dem gelben Hornklee. Im Sommer 2003 konnte sogar ein Schwalbenschwanz über der Brachfläche tanzend beobachtet werden.

Nachtfalter
(von Dr. Ludger Wirooks, Aachen)

Neben einigen Tagfaltern gibt es am Moltkebahnhof auch eine ganze Reihe Nachtfalterarten, die dem gewöhnlichen Spaziergänger aber meist verborgen bleiben. Diese Falter kann man nachts mit Licht oder wohlriechenden, süßen Ködersubstanzen anlocken.

Oder man sucht gleich ihre Raupen, von denen manche sogar recht auffällig sind, wie z. B. die ausschließlich an Leinkraut (Löwenmäulchen) lebende Möndcheneule. Überhaupt leben viele Schmetterlinge nur an ganz bestimmten Pflanzenarten, weshalb deren hoher Arten-Reichtum in diesem Gebiet auch einer Vielzahl unterschiedlichster Schmetterlingsarten eine Lebensgrundlage bieten kann. Wenn man das Gelände einmal wirklich genau untersuchen würde, käme man so sicherlich auf weit über 100 Schmetterlingsarten!

Typisch sind v.a. Arten, die trocken-warme Biotope bevorzugen, wie z. B. die Ruderalflur-Johanniskrauteule. Diese Art war bis Anfang der 90er Jahre fast nur in Süddeutschland heimisch und breitet sich seither – womöglich auch infolge der Klima-Erwärmung – immer weiter nordwärts aus. Ein wichtiger Trittstein bei dieser Arealerweiterung stellte damals der Moltkebahnhof dar, wo ihre Raupe 1991 erstmals in NRW nachgewiesen wurde. Solche leicht erwärmbaren Industriebrachen und Bahnanlagen haben also auch eine wichtige Funktion als Sekundär-Lebensraum für viele Arten, die sonst nur in seltenen Felsbiotopen zu finden wären.

(Januar 2016)