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Der Gillesbach

Der Gillesbach stellt aus verschiedenen Gründen eine Besonderheit dar: sein etwa drei Kilometer langer Bachlauf ist weitgehend offen und kann so vom Quellbereich bis zum Bahndamm der Strecke Aachen-Köln erwandert werden. Erst da verschwindet der Bach in einem unterirdischen Kanal, der das Frankenberger Viertel durchquert und schließlich am Ende der Schloßstraße in die Wurm mündet. Der Gillesbach ist verhältnismäßig kurz, überwindet dabei aber einen Höhenunterschied von etwa dreiundsechszig Metern (Quelle: 225 m ü. NHN, Mündung Wurm: 162 m ü. NHN). Er ist also ein echter Gebirgsbach und bildet streckenweise einen tiefen Taleinschnitt in felsigem Untergrund. Am gesamten Verlauf des Baches sind keine Mühlenstandorte bekannt. Der heutige Name des Baches geht zurück auf die Burtscheider Adelsfamilie „Von Gillis“.

Der oberirdische Verlauf

Der Gillesbach entspringt bei Gut Waldhausen, das malerisch von Wiesen umgeben am I. Rote Haag-Weg liegt. Die Wiesen rund um das Gut bilden den Quellbereich, in denen das Wasser aus zahlreichen Sickerquellen austritt und sich in einem Graben entlang des Weges sammelt. Neben der Zufahrt zu Gut Waldhausen bildet das Wasser einen kleinen Teich. Auf der gegenüber liegenden Seite des I.-Rote-Haag-Weges tritt das Wasser aus einem Rohr und bildet ab hier einen gut sichtbaren Bachlauf, der sich in den Wald hinein schlängelt.

Der Gutshof Waldhausen wurde nach einer Datierung in einem Keilstein 1799 erbaut. Er bestand ursprünglich aus einem zweigeschossigen Wohnhaus und dem Wirtschaftsgebäude aus Backstein mit Blausteingewänden. In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden beide Gebäudeteile verbunden zu einer dreiflügeligen Hofanlage. Der Hof wird noch immer als landwirtschaftlicher Betrieb geführt.

Der Gillesbach durchfließt das Waldstück nördlich des I.-Rote-Haag-Weges in nordöstlicher Richtung. Seine Fließgeschwindigkeit ist in Kombination mit einer sehr geringen Wasserführung zumindest zeitweise äußerst gering bis kaum messbar. In niederschlagsarmen Zeiten kann der Bach hier auch komplett trockenfallen. Kurz vor der Unterquerung der Monschauer Straße fließt der Bach durch einen privaten Garten und unter einer Garage hindurch.

Auf der anderen Straßenseite folgt ein Spazierweg dem linken Bachufer bis zur Adenauer Allee. Überquert man die Adenauerallee und die Karl-Marx-Allee, so geht rechts der Wilhelm-Pitz-Weg ab. Hier fließt der Gillesbach rechts entlang des Weges allerdings verborgen hinter dichtem Buschwerk. Nach kurzer Zeit quert der Weg den Bach auf einer Stahlbrücke. Hier präsentiert sich das Bachtal tief eingeschnitten und der felsige Untergrund ist gut zu erkennen. So wurde der Gillesbach über lange Zeit einfach Felsenbach genannt. Fachleute sprechen von einem ‚Kerbtal‘. Ab der Brücke verschatten Erlen, Weiden und mächtig-prächtige Eschen seinen Lauf und verbergen ihn vor den Blicken der Spaziergängern, diesmal links vom Weg. Im Frühjahr sind die Ufer mit einer üppigen Bärlauch-Schicht bedeckt. Da er abgezäunt ist, wird der Natur hier weitgehend Raum gelassen. Stürzt ein Baum um, so bleibt er einfach liegen. Totholz ist ein wertvoller Lebensraum für viele Tiere.

Der Bach unterquert den Forster Weg und fließt weiter durch parkähnliches Gelände in Richtung Bahndamm. Begleitet wird er auf diesem Abschnitt links von Kleingartenanlagen und rechts von einem Caravanplatz und Sportanlagen. Auf der Hälfte des Weges führt eine Brücke über den Bach und ein Abzweig hoch zur Luise Hensel Realschule. An dieser Brücke stehen einige schöne Exemplare von Kopfweiden. Infolge der starken Trittbelastung durch Besucher und Hunde werden Bach und Ufer in diesem Abschnitt stark in Mitleidenschaft gezogen und der Grund ist sehr schlammig. Reste von künstlichem Uferverbau und teilweise sogar Sohlenbefestigungen zeugen von der früher üblichen künstlichen Befestigung des Baches, denn der geradlinie, kanalartige Ausbau führte zu einer hohen Auswaschungsgefahr. Daher wurden im Verlauf mehrere treppanartige Abstürze eingebaut, die die Durchgängigkeit für Kleinorganismen – an Fischen dürfte es allenfalls Stichlinge geben – verhindern. Mittlerweise werden diese künstlichen Einbauten nicht mehr saniert und dürfen verfallen, so kann der Bach wieder seine natürliche Eigendynamik entwickeln.

Ab der Brücke führt der Weg wieder links am Bach entlang. Der Weg auf der rechten Seite des Bachs steigt an und führt aus dem Bachtal hinaus zur Erzberger Allee. Folgt man ab der Brücke dem Weg links des Bachs so trifft man am Ende die Stelle, wo der Bach in einem Gitter unter dem Bahndamm der Strecke Aachen Köln verschwindet. Das letzte Stück seines Wegs bis zur Mündung in die Wurm verbringt der Gillesbach heute in Rohren.


Der oberirdische Verlauf

Der Bau der Bahnstrecke Aachen-Köln wurde 1838 begonnen. Sie zerschneidet das Burtscheider Gebiet zu dem auch das spätere Frankenberger Viertel gehörte. Um das Wurmtal zu überwinden wurde das Burtscheider Viadukt errichtet zwischen dem Bahnhof Rothe Erde und dem Aachener Hauptbahnhof. Es war das erste große Eisenbahnviadukt in Deutschland und fand als technische Meisterleistung große Aufmerksamkeit. Heutzutage ist das Burtscheider Viadukt eine der ältesten noch genutzten Eisenbahnbrücken in Deutschland. Es geht in Richtung Rothe Erde in einen hohen Bahndamm über. Dieser Bahndamm schneidet das Frankenberger Viertel von der Frischluftschneise des Bachtals ab. Die Bachtäler sind wichtig im Aachener Talkessel für die Versorgung der Innenstadt mit Frischluft. An heißen Sommertagen wälzt sich die frische Kaltluft aus der Umgebung entlang der Bäche in Richtung Innenstadt. Am Gillesbach kann man besonders gut erleben, wie sich an heißen Sommerabenden vor dem Bahndamm ein „Frischluftsee“ bildet. Es fühlt sich an, als tauche man in kaltes Wasser, wenn man sich dem Gillesbachtal nähert. Lange wurde darüber diskutiert, ob es sinnvoll sei, den Bahndamm auf einer längeren Strecke zu öffnen, um das dahinter liegende eng bebaute Wohnviertel optimaler mit Frischluft zu versorgen. Wegen unabsehbar hoher Kosten wurden diese Pläne aufgegeben zumal die Wirkung durchaus umstritten war.

Hinter dem Bahndamm unterquert der Gillesbach den ehemaligen Moltkebahnhof, der 1892 entlang der Bahnstrecke zwischen dem Bahnhof Rothe Erde und der heutigen Moltkestraße angelegt wurde. Der Abtransport der Waren erfolgte über die Moltkestraße. Ab 1898 übernahm der Moltkebahnhof zeitweilig den gesamten Güterverkehr der Stadt Aachen. Mitte der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts stellte die Bahn den Güterbetrieb auf dem Gelände ein und vermietete beziehungsweise verkaufte Teile des Geländes an Privatbetriebe, die den Bahnzugang gelegentlich benutzten. Ansonsten versank das Gelände in einen Dornröschenschlaf. Die Pflanzen- und Tierwelt konnte sich in dieser geschützten und nährstoffarmen Lage besonders vielfältig und artenreich entwickeln. Durch die Schotterschicht und den Schutz durch den hohen Bahndamm entstand ein Kleinklima, das besondere Pflanzengesellschaften hervorbrachte. Ein im Auftrag der Stadt Aachen erstelltes ökologisches Gutachten zum Gelände des Moltkebahnhofs kam 1992 zu dem Ergebnis: „Auf dem Moltke-Bahnhof findet sich eine für den Aachener Raum einmalige Ansammlung wärmeliebender, ruderalgeprägter Sandrasen, Magerrasen und Staudenfluren mit zahlreichen bemerkenswerten Arten.“ (Institut für ökologische Beratung und Landschaftsplanung, Ökologische Untersuchungen zur Landesgartenschau 2000 in Aachen, 1992 Aachen).

Die geplante Landesgartenschau, für die das Gelände vorgesehen war, fand nicht in Aachen statt. 2001 wurde schließlich die Maria-Montessori-Gesamtschule auf dem Gelände eröffnet und auf den nicht bebauten Restflächen der Bürger- und Jugendparks Moltkebahnhof angelegt. Wichtig war dabei neben der Öffnung für die BürgerInnen des Viertels und der Schaffung neuer Wegeverbindungen z.B. in Richtung des Bahnhofs Rothe Erde auch die Erhaltung wertvoller Vegetationsflächen. Diese unterschiedlichen Ziele geraten bisweilen miteinander in Konflikt. Die Erhaltung der ursprünglichen Vegetation ist nur sehr eingeschränkt möglich, da die intensive Nutzung die Vegetation verändert. Außerdem haben durch die seitdem weitgehend ungestörte Sukzession Pioniergehölze den Charakter der Vegetationsflächen stark gewandelt. Die einst typische blütenreiche Ruderalvegetation ist leider inzwischen fast verschwunden, allerdings hat der Park immer noch seinen besonderen Reiz. (s. Bericht zum Moltke-Park)

Ein Weg führt vom heutigen Park direkt zu der Burg Frankenberg. Sie findet erste Erwähnung 1352 als Sitz der Vögte von Merode, die für den Schutz der benachbarten Burtscheider Abtei zuständig waren. Die Wasserburg war umgeben von breiten Gräben, die durch den Gillesbach gespeist wurden. Östlich der Burganlage, die auf einem Felsen liegt, befand sich eine Vorburg. Im 19. Jahrhundert wurde die zur Ruine verfallene Burg von dem Aachener Landrat Friedrich Joseph Freiherr von Coels von der Brügghen gekauft und in den Jahren zwischen 1834 und 1838 saniert. 34 Jahre später erwarb die Frankenberger Baugesellschaft den gesamten Komplex und errichtete auf dem dazugehörigen Grund und Boden ein neues Wohnviertel, das nach der Burg Frankenberger Viertel genannt wurde. Die Vorburg wurde abgerissen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Hauptburg als Wohnhaus und Werkstatt durch den bekannten Ingenieur und Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Burg in den 60er Jahren zu einem Heimatmuseum umgebaut, das aber mittlerweile aufgelöst wurde. Zur Zeit wird die Burg zu einem Bürger- und Kulturzentrum umgebaut. Nach der Legende soll der Frankenkaiser Karl der Große die Burg erbaut und ihr den Namen gegeben haben. Angeblich hat er den Ort sehr geliebt, da sein Berater, Bischof Turpin, den Zauberring der jung verstorbenen Lieblingsfrau des Kaisers in den Teich geworfen hatte.

Das Frankenberger Viertel war bis zur Eingemeindung Burtscheids zu Aachen 1897 ein Ortsteil von Burtscheid. Das Frankenberger Viertel wurde etwa zwischen 1870 und 1920 auf den ehemaligen Ländereien der Burg Frankenberg erbaut. Der Gillesbach, der ursprünglich die Gräben der Burganlage füllte, wurde unter die Erde verbannt und durch die Schloßstraße in Richtung der Kreuzung, Zollernstraße, Lothringer Straße, Brabantstraße und Oppenhoffallee, wo er unterirdisch in die von der Bachstraße kommenden Wurm mündet und mit dieser unterhalb der Brabantstraße weiter fließt.

(Birgitta Hollmann, Monika Nelißen 2017)

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Gillesbach, dargestellt auf dem Rappardplan von 1860


Der Plan zeigt die Bahnlinie Aachen-Köln, die Burtscheid zerteilt. Am rechten Bildrand fließt der Gillesbach, unterquert den Bahndamm, speist die breiten Gräben der Burg Frankenberg, die hier noch mit der östlich gelegenen Vorburg zu sehen ist und mündet kurz vor dem so genannten Schwanenspiegel in die von Burtscheid heran fließende Wurm.